Freitag, 28. Dezember 2012

Alpeis (2011, GR, 93min)


When the End is here, the Alps are near



Liegt es an Weihnachten und der vergangenen Konfrontation mit Familien-Zusammenhängen, meine Flucht in eine selbstgebaute, temporäre größtmögliche Freiheit WahlHeimat mit WahlVerwandschaften in Hamburg, an einer gewissen Ruhelosigkeit, derer ich mich an einem 28.12. eines Jahre nicht erwehren kann, zumal morgen eine weitere Etappe, ein Trip mit Freunden für acht Tage ansteht: 29,30,31,1,2,3,4,5. Januar kommen wir wieder in die HH?
Vier Tage in Hudiksvall am Bottnischen Meerbusen zwischen Schweden und Finnland - ich schweife ab!

Ohne weiter zu denken: Alpeis ein zerklüfteter Film, Dialoge fremdartig, unnatürlich, eine Enge entsteht für mich als Zuschauer, eine Vierer-Gruppe, zwei Männer, zwei Frauen, patriarchalisch-hierarchisiert, vor allem dominiert, herrscht.
- Das Dompfaffen-Pärchen  hüpft vor meinem Fenster vor Ast zu Ast, fett-rund, liebenswürdig -
- im Hintergrund plätschert (wiedermal!) TG, das Videoarchive, Heathen Earth, live am 16. Februar 1980 -
Es beginnt in Turnhalle mit der jüngeren, dünneren Frau, beäugt vom Trainer, dem älteren der beiden Männer, sie tanzt eine Band-Choreographie zu Carmina Burana

Handhabung
Das Band ist lang und leicht und kann in alle Richtungen geworfen werden. Sein Sinn ist die Zeichnung von Figuren im Raum. Seine Flüge durch die Luft schaffen Bilder und Formen jeder Art. Vielen verschiedengroße Figuren werden in veränderlichen Rhythmen ausgeführt. Schlangen, Spiralen und Würfe sind wesentlich für den Flug des Bandes. (aus http://www.rsg.de/cgi-bin/show?informationen/band.html)


Es folgt von Trainerseite keine sichtbare Reaktion auf ihre Darbietung, sie dehnt ihre Beine im Sitzen, er nähert sich ihr vom Hallenrand und ein Wortwechsel á la "Was ist los mit Dir?" zwischen Trainer und Schülerin entspinnt sich, sie möchte mehr "Pop" tanzen, er macht ihr klar, dass "sie nicht bereit ist für mehr Pop", unterstrichen von martialisch verbaler Gewalt von seiner Seite, worauf sie sich entschuldigt.

Verstörende Szenen ziehen sich abwechselnd durch Turnhallen-Mileu, Krankenhaus,  schließlich Privat-Zusammenhänge, Szenen, welche ich nicht vollständig entknüpfen kann, um daran mein erlebtes Leben anzuknüpfen, Dialoge, auswendig gelernt, werden wiederholt, zwischen den vieren besteht ein un-identifizierbares Band, un-entschlüsselbares. Die Frauen schliesslich sind den Männern ausgeliefert, so viel ist sicher. Dennoch knüpfe ich an, vertraue dem Film, steige nicht aus, setze mich dieser schrecklichen Enge, gruselig, schauderhaft aus, glaube den Geschehnissen, fühle mich angegriffen, stelle meine Moral in Frage, verurteile spontan moralische Entscheidungen der ProtagonistInnen, finde aber bei der Protagonistin gelegentlich auch Halt, hake mich bei ihr ein, trotz ihrer vielen Fehler, aufgrund ihrer Rettungsversuche, wenn auch mit Skepsis von mir betrachtete. Die Männer sind brutal humorvoll, äußerlich sehr gepflegt, schön anzusehen, äußerlich seriös, von tiefer Abgründigkeit einer Marquis de Sade'schen Figur opfern sie genussreich die sie umgebenden Menschen sich selbst, einverleiben sich diese im bewussten, gut diszipliniert-ruhigen, ja leisen Terror-Exzessen, mal als Gourmet, mal als Gourmand in Häppchen ohne Protest der Opfer, welche lediglich kleine eskapistische Ausflüge unternehmen, geradezu lächerlich erscheinende, trotz allem bedrückend ernst nehmbare.

Es existiert ein Geheimbund mit tiefgründiger Abhängigkeit für die Protagonistinnen. Die Filmzeit wandert durch mich hindurch, die Vorkomnisse steigern sich, spitzen sich in Wellen zu, doch schon in den ersten Minuten taucht erschreckend ein erstes zukünftiges Opfer der Vierergruppe auf, das Folgen nach sich zieht.

Alpeis - When the End is here, the Alps are near
Ein Film, dessen Darsteller für uns Schauspiel im doppelten Sinne vollführen, als Schau aber auch als Schauprozess: Prozess des Spielens/Scheiterns der Protagonistinnen, aber auch gegenseitige ständige Abrechnung von Seiten der Schauspieler, Angst der -Innen, ein Fluchtversuch, von Spielerseite die Ausbeutung, ihre Lebens Postition wird nicht sichtbar gemacht, der Film wird aus Frauenperspektive, erzählt, in seiner Dauer begleiten wir vor allem die Ältere der beiden Frauen. Sie gibt sich hin, sie schauspielert, prostituiert sich in vielen Sinnen, übertritt Regeln, juristische, moralische, schliesslich scheinbar diejenigen des Vierer-Bundes, deren Teil  einer sie, warum auch immer.

Die jüngere Frau, behandelt wie ein gemartertes Rennpferd, Rhythmische Sport-Gymnastikerin mit Band, sieht immer ausgequetschter aus im Großteil des Film-Verlaufes, dann kann sie nicht mehr, die Moral geht ihr aus.

Die ältere Frau, unsere Protagonistin, letztendlich völlig entwurzelt, alleine, entwürdigt, die Verstoßene. Die jüngere Frau, am Ende, das glänzende Rennpferd, geschmückt, wie nie zuvor, im Pop aufgehend. Die beiden Herren bleiben für uns gemeine Schatten, Strippenzieher, Puppenspieler immer im obskuren, im unmenschlichsten Sinne. (Auf Namen wurde verzichtet. Eine Art Gleichnis oder Parabel?)




Die Vater-Rolle im Film, der Vater der älteren Frau ist ein Vater, alleinerziehend, wie die Vater-Rolle schon im Film Attenberg von Athina Rachel Tsangari, bei dem hiesiger Filmautor Giorgos Lanthimos als einer der Hauptdarsteller mitspielte, sowie mitproduzierte. Tsangari wiederum produzierte bei Alpeis zusammen mit Lanthimos hauptsächlich. Deutliche audio-visuelle Ähnlichkeiten, filmisch aus "einer Ecke" stammend, jedoch in der Erzählung wesensmäßig wie athmosphärisch sich deutlich von einander unterscheidend, wenn auch beide Filme uns eine lückenhafte Erzählung bescheren.



oder: When the Alps are here, the End is near.

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